IDENTITÄTSDRAMA
Deutsche Geistesgrößen in Anklage und Selbstrechtfertigung

KAFKA: Du bist mit mir nicht zufrieden, Du hast an mir verschiedenes auszusetzen, willst mich anders haben, als ich bin.

 

LUTHER: Du bist ein durch und durch schlechter Kerl, du bist ein Heide und lehrst dazu nicht recht, bist ein Verführer und Teufelsapostel.

EINSTEIN: Ich bin ehrwürdiger eidgenössischer Tintenscheisser mit ordentlichem Gehalt.

FICHTE: Du bist ein ruchloser Geist: deine Erkenntniss selbst ist Ruchlosigkeit und stammt aus Ruchlosigkeit, und ich kann es dir nicht danken, dass du mich auf diesen Weg gebracht hast.

WEBER: Ich bin ein nach Recherche und Bewährung patentierter und kraft meiner Mitgliedschaft garantierter Gentleman.

LUTHER: Du bist ihnen ungnädig, ich will dir auch ungnädig sein.

LESSING: Ich bin zu tadeln.

HEGEL: Du bist nicht wert, daß dich die Sonne bescheint, sagt man zu einem Wicht, über den man sich erzürnt.

KAFKA: Ich bin doch ganz unbrauchbar, aber darin bin ich unveränderlich.

NIETZSCHE: Ich bin es, der in jedem Grade unwürdig und verächtlich ist,

EINSTEIN: Du bist ein Prachtkerl!

JAKOB BÖHME: Du bist schön und mächtig.

MARX: Ich bin häßlich, aber ich kann mir die schönste Frau kaufen.

MEISTER ECKHART: Du bist noch schöner.

MARX: Ich bin zu ungeduldig, eine andere Gelegenheit abzuwarten, um Ihnen einen kleinen Beweis meiner Liebe zu geben.

LESSING: Ich bin ein ehrliches Mädchen

JAKOB BÖHME: Ich bin eine züchtige Jungfrau.

WEBER: »Ich bin ein Weib« ist eine politische Unterwerfungsformel.

HEINE: Ich bin eine deutsche Jungfrau.

WEBER: Ich bin teils Franzose, teils Deutscher, und als Franzose sicher irgendwie keltisch infiziert.

LESSING: Ich bin ein Franzose.

ADORNO: Ich bin ein Nashorn.

EINSTEIN: Du bist das herrlichste Tier auf der Erde und verdienst, in ungetrübtem Glück zu leben.

ADORNO: Ich bin der letzte, das abzustreiten.

NIETZSCHE: Ich bin nicht viel mehr als ein Tier, das man tanzen gelehrt hat, durch Schläge und schmale Bissen.

HEIDEGGER: Du bist ›einfach glücklich‹.

LESSING: Du bist glücklich, daß du ein solches Gemüt hast, aber ich fühle.

FEUERBACH: Du bist nur zu feige oder zu beschränkt, um mit Worten einzugestehen, was dein Gefühl im stillen bejaht.

LEIBNIZ: Ich bin zu glauben geneigt, daß auch die Pflanzen eine gewisse Wahrnehmung und Begehrung haben, der großen Analogie wegen, die zwischen den Pflanzen und Tieren obwaltete gibt es, wie die allgemeine Meinung ist, eine Pflanzenseele, so muß diese Wahrnehmung haben.

NIETZSCHE: Du bist kein Mensch, sondern ein Gott.

JAKOB BÖHME: Ich bin auch nicht in Himmel gestiegen und habe solches mit fleischlichen Augen gesehen, viel weniger hat mirs jemand gesaget.

MARX: Du bist selbst ein höheres Wesen als Du, d.h., daß Du nicht bloß Geschöpf, sondern gleicherweise Schöpfer bist, das eben verkennst Du als unfreiwilliger Egoist, und darum ist das höhere Wesen Dir ein fremdes.

MEISTER ECKHART: Ich bin euch Mensch gewesen, und wenn ihr mir nicht Gott seid, so tut ihr mir unrecht.

KAFKA: Du bist mein Menschengericht.

LUTHER: Du bist ein Knecht aller Knechte Gottes und in einem gefährlicheren, elenderen Stand als kein Mensch auf Erden.

MARX: Du bist gezeugt von deinem Vater und deiner Mutter, also hat in dir die Begattung zweier Menschen, also ein Gattungsakt der Menschen den Menschen produziert.

LUTHER: Ich, Ich, Ich bin in Sünden empfangen, und meine Mutter hat mich in Sünden getragen, das ist, daß ich im Mutterleibe aus sündlichem Samen gewachsen bin, wie das der hebräische Text besagt.

SCHELLING: Du bist mein Sohn, heute habe ich dich gezeugt.

ADORNO: Ich bin eben, wie meist sogenannte Wunderkinder, ein sehr spät reifender Mensch, und habe heute noch das Gefühl, daß das, wofür ich eigentlich da bin, alles erst noch vor mir liegt.

MEISTER ECKHART: Du bist vielmehr in der Gebarung und nahe der Geburt.

KANT: Du bist zu früh alt geworden.

WEBER: Ich bin der genau gegenteiligen Ansicht.

NIETZSCHE: Du bist jung und wünschest dir Kind und Ehe.

KAFKA: Ich bin jünger, als es den Anschein hat.

HEINE: Du bist ein nüchterner, modester Junge.

NIETZSCHE: Du bist nicht groß.

KAFKA: Ich bin ja nichts, gar nichts.

NIETZSCHE: Du bist mir noch nicht demütig genug.

MARX: Ich bin nichts, und ich müßte alles sein.

FICHTE: Ich bin gewohnt, geehrt zu seyn, und ich will mich jetzt durch mich selbst ehrwürdig machen.

KAFKA: Du bist aber verwöhnt.

MARX: Ich bin das Alles und noch etwas mehr. Ich bin das Alles von diesem Nichts und das Nichts von diesem Allen.

FICHTE: Ich bin ewig, und ich trotze eurer Macht!

FREUD: Du bist mein Bein und mein Fleisch.

HEGEL: Ich bin lebendig in diesem organischen Körper, welcher mein dem Inhalte nach allgemeines ungeteiltes äußeres Dasein, die reale Möglichkeit alles weiter bestimmten Daseins ist.

RUDOLF STEINER: Du bist nur Illusion, ein Scheingeschöpf von mir, das ich immer wieder ins Nichts zurückwerfe.

WEBER: Ich bin kraft Geburt oder Aufzucht im Hause des X, kraft Ehe oder Kindesannahme, Verbrüderung, Wehrhaftmachung, Jünglingsweihe Genosse des Verbandes Y und darf kraft dessen die Nutzung des Gutes Z für mich beanspruchen.

FICHTE: Ich bin ein Herr von X***, oder ein Herr von Y***, oder ein Herr von Z***

KAFKA: Du bist der B. und bist vor 2 Jahren hier in die Schule gegangen.

NIETZSCHE: Ich bin gegen mich voreingenommen von Kindesbeinen an: deshalb finde ich in jedem Tadel etwas Wahrheit und in jedem Lobe etwas Dummheit.

KAFKA: Ich bin ein Kind warum soviel Umstände mit mir machen?

HEINE: Du bist zu dumm und wirst vergebens raten.

HEINE: Ich bin kein Gelehrter, ich gehöre nicht zu den siebenhundert Weisen Deutschlands.

NIETZSCHE: Ich bin zu heiß und verbrannt von eigenen Gedanken: oft will es mir den Atem nehmen.

HEGEL: Du bist ein Tor.

BETTINA VON ARNIM: Ich bin auch gescheut und habe scharfe Sinne.

FICHTE: Du bist Intelligenz, sagtest du, wenigstens ist hier allein davon die Rede.

MEISTER ECKHART: Ich bin weiser als er.

NIETZSCHE: Du bist zu stolz, ein Lehrer sein zu wollen?

WEBER: Ich bin ein dummer (also: der Weltklugheit entronnener) Mensch.

NIETZSCHE: Ich bin meiner Weisheit überdrüssig, wie die Biene, die des Honigs zuviel gesammelt hat, ich bedarf der Hände, die sich ausstrecken, ich möchte verschenken und austeilen, bis die Weisen unter den Menschen wieder einmal ihrer Torheit und die Armen wieder einmal ihres Reichtums froh geworden sind.

WEBER: Ich bin aus eigener Neigung in den Beruf gegangen, oder weil die Eltern es wollten, oder aus Not, so bin ich natürlich mit ihm ganz darüber einverstanden, daß das keine Feststellung ist, die einen Wert für die Frage hat: aus welchen Gründen sind die Leute wirklich in den Beruf hineingegangen?

MARX: Du bist ein – Commerçant!

WEBER: Ich bin ein Mitglied der bürgerlichen Klassen, fühle mich als solches und bin erzogen in ihren Anschauungen und Idealen.

KANT: Ich bin ein Nichtswürdiger, ob ich gleich meinen Beutel gefüllt habe, muß doch ein anderes Richtmaß des Urteils haben, als sich selbst Beifall zu geben, und zu sagen: ich bin ein kluger Mensch, denn ich habe meine Kasse bereichert.

GOETHE: Du bist von diesem Augenblicke mein!

LEIBNIZ: Ich bin also nicht frei?

FREUD: Ich bin leider völlig inkompetent, um diese Frage zu beantworten, konnte auch nur wenig darüber in der Literatur finden.

ADORNO: Du bist so schuldig wie sie selbst.

EINSTEIN: Du bist völlig abhängig von der Gesellschaft, in der du lebst. Du mußt dich deshalb ihren Vorschriften unterwerfen.

MARX: Ich bin nicht der Staat.

FREUD: Du bist ja schon Doktor u. dgl.

LESSING: Ich bin der Graf von Essex.

KAFKA: Du bist mir unter allen Namen lieb.

EINSTEIN: Ich bin fast überzeugt, daß für alle, die schon einen Namen haben, gesorgt werden wird.

LEIBNIZ: Ich bin daher zu glauben geneigt, daß wenn man die Unvollkommenheiten der Sprache gründlicher prüfen wollte, der größte Teil der Streitigkeiten von selbst wegfiele, und der Weg der Erkenntnis und vielleicht des Friedens den Menschen offener werden wurde.

NIETZSCHE: Ich bin keine Person, würde er sagen, sondern immer die Sache selber.

GOETHE: Du bist Eins und lebendig, gezeugt und entfaltet, nicht zusammengetragen und geflickt.

BETTINA VON ARNIM: Ich bin müde, lieber Goethe, ich muß schlafen.

NIETZSCHE: Du bist jetzt müde?

WEBER: Ich bin zur Zeit geneigt, diese Frage zu bejahen.

LEIBNIZ: Ich bin noch nicht bis zur Hälfte der 19 Einwürfe gekommen und schon bin ich es müde, immer die nämliche Sache zu widerlegen und darauf zu antworten.

LUTHER: Ich bin auch öfters zerschlagen, aber nicht dauernd.

NIETZSCHE: Du bist so arg müde?

KAFKA: Ich bin nicht müde, nicht schläfrig, nicht traurig, nicht lustig, ich habe nicht die Kraft, Dich mit meinen Wünschen herzuholen, trotzdem zufällig rechts von mir ein leerer Sessel wie vorbereitet steht, ich bin in einer Umklammerung und kann mich nicht losmachen.

LUTHER: Ich bin müde und nichts mehr wert.

FREUD: Ich bin ein guter Schläfer, nicht gewöhnt, durch ein Bedürfnis geweckt zu werden.

KANT: Ich bin es müde, die wilden Hirngespinste des ärgsten Schwärmers unter allen zu kopieren, oder solche bis zu seinen Beschreibungen vom Zustande nach dem Tode fortzusetzen.

LUTHER: Ich bin ein armer Sünder, habe den Tod vor mir, da muß ich hindurch.

MARX: Ich bin nicht die Hegelsche Logik, ich bin ein Sünder gegen die Hegelsche Logik.

HEGEL: Ich bin Ich.

SCHELLING: Ich bin ich!

HEGEL: Ich bin Ich, mein Gegenstand und Wesen ist Ich, und keines wird ihr diese Wahrheit ableugnenI

HUSSERL: Ich bin nicht ein Ich, das immer noch sein Du und sein Wir und seine Allgemeinschaft von Mitsubjekten in natürlicher Geltung hat.

ERNST HAECKEL: Ich bin ich: – heute muß er sagen: Ich bin ein anderer.

HEIDEGGER: »Ich bin«, »du bist« besagt: ich wohne, du wohnst.

WEBER: »Ich bin Ich« ist hauslos in diesem Sinn.

MARX: Ich bin nicht Nicht-Ich.

HUSSERL: Ich bin, alles Nicht-Ich ist bloß Phänomen.

OSWALD SPENGLER: Ich bin, I am, je suis.

HUSSERL: Ich bin für mich selbst und mir immerfort durch Erfahrungsevidenz als ›Ich selbst‹ gegeben.

MARX: Ich bin nicht das Volk.

LUTHER: Du bist das Volk, Gott redet mit dir.

MARX: Ich bin also die Negation des Volks, das Volk ist in Mir aufgelöst.

NIETZSCHE: Ich bin das Gängelband des Ichs und der Einbläser seiner Begriffe.

FICHTE: Ich bin dieses oder jenes.

KAFKA: Ich bin, wenn es möglich ist, noch ärger.

BETTINA VON ARNIM: Du bist ein koketter, zierlicher Schreiber, aber Du bist ein harter Mann.

HEINE: Ich bin diesen Morgen, liebster Freund, in einer wunderlich weichen Stimmung.

NIETZSCHE: Ich bin in der unangenehmen Lage, etwas Hartes, dessen Härte man durch etwas Spitzes mildert, nicht zu kennen.

HEINE: Ich bin heute sehr verdriefllich, mürrisch, ärgerlich, reizbar; der Mißmut hat der Phantasie den Hemmschuh angelegt, und sämtliche Witze tragen schwarze Trauerflöre.

KAFKA: Du bist nicht wehleidig und das alles sind Augenblicke.

LESSING: Ich bin verdrüßlich, ärgerlich; alle meine ehemalige Heiterkeit ist weg; alle meine Freude hat ein Ende.

KAFKA: Ich bin auch lustiger, aber heute nicht.

HEINE: Ich bin ganz Freude und Gesang, ganz Schwert und Flamme!

HEIDEGGER: Ich bin ganz kupferbraun eingebrannt und sehr gut erholt.

ADORNO: Ich bin hier geneigt, Heidegger recht zu geben.

JAKOB BÖHME: Du bist höllisch Feuer!

JAKOB BÖHME: Ich bin nur ein Fünklein.

BETTINA VON ARNIM: Du bist nicht feuerfest.

LEIBNIZ: Du bist verrückt, meine Liebe, man gewöhnt sich an alles.

KAFKA: Du bist aber rabiat weißt Du.

HEINE: Ich bin der höflichste Mensch von der Welt.

WEBER: Ich bin nicht gekommen, den Frieden zu bringen, sondern das Schwert.

NIETZSCHE: Du bist der Segen oder Fluch und jedenfalls die Fessel, in welcher der Stärkste gebunden liegt.

FICHTE: Du bist sicher der Schwächere.

LUTHER: Ich bin der Meinung: es ist besser, daß alle Bauern erschlagen werden als die Fürsten und Obrigkeiten, und zwar deshalb, weil die Bauern ohne Gewalt von Gott das Schwert nehmen.

HEINE: Ich bin sehr leicht zu köpfen, ich hab nur ein kleines, schmales Hälschen.

EBNER-ESCHENBACH: Du bist aber heute wieder so kurios!

KAFKA: Ich bin heute irgendwie trotzig.

LUTHER: Ich bin ein gar unzuverlässiger und unsteter Prediger, wie ihr erfahren habt.

FICHTE: Ich bin ein Priester der Wahrheit; ich bin in ihrem Solde; ich habe mich verbindlich gemacht, alles für sie zu thun und zu wagen und zu leiden.

NIETZSCHE: Ich bin ein Geländer am Strome: fasse mich, wer mich fassen kann!

HEGEL: Ich bin zu dem Anfang zurückgeworfen und wieder in denselben, sich in jedem Momente und als Ganzes aufhebenden Kreislauf hineingerissen.

KAFKA: Ich bin auch auf der Fahrt, es ist eine lange Reise.

NIETZSCHE: Ich bin nicht schnell, ich muß auf mich warten – es wird spät, bis jedesmal das Wasser aus dem Brunnen meines Selbst ans Licht kommt, und oft muß ich länger Durst leiden, als ich Geduld habe.

LESSING: Ich bin ein Lahmer, den eine Schmähschrift auf die Krücke unmöglich erbauen kann.

FREUD: Du bist gefallen, und ich nicht.

ADORNO: Ich bin ja nicht die ganze Menschheit und kann mich in meinen Gedanken nicht einfach für sie einsetzen.

NIETZSCHE: Ich bin abseits von aller Welt, ich nehme von niemandem Bedingungen an.

KAFKA: Du bist die Aufgabe.

HEINE: Ich bin zu eitel um mich hierüber zu wundern.

LESSING: Ich bin also nicht verpflichtet, alle die Schwierigkeiten aufzulösen, die ich mache.

MARX: Du bist politisch, Du bist borniert.

ADORNO: Ich bin eigentlich auf diesen Vorwurf bisher sonst eher von ganz anderer Seite her gefaßt.

ARENDT: Ich bin nur scheinbar von meinem Thema abgekommen.

ENGELS: Ich bin theoretisch mit ihm fertig.

 
[Mit »Ich bin« und »Du bist« beginnende Sätze beliebiger Länge aus einigen Volltext-Werkausgaben der Digitalen Bibliothek 4 gesucht und frei arrangiert.]


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